Die zauberhafte, achtsame und intelligente Welt der Faszien
„Der Körper ist eine Einheit. Die Faszie verbindet jeden Teil mit jedem anderen Teil. Kein Organ oder Gewebe kann isoliert betrachtet werden.“
A. T. Still
„Die Faszie ist das Gewebe des Lebens. Wenn man sie versteht, hat man den Schlüssel zur Krankheit und zur Gesundheit in der Hand.“
A. T. Still
„In den Faszien können wir die Spuren von Krankheit und Heilung ertasten. Sie erzählen die Geschichte des Körpers, wenn wir ihnen zuhören.“
A. T. Still
Danis Bois, der erst die Osteopathie gelernt hat und dann in ein eigenes tieferes Gefühl mit den Geweben kam, schrieb:
"Die Faszie wird für mich mehr als ein umhüllendes Gewebe: Der Träger auf dem sich die Lebenskraft kanalisiert, um sich in den Dienst des Körpers zu stellen.
Die Faszie ist wahrhaftig das psychische Skelett des Individuums, in den sich alle psychischen, physischen und emotionale Stresssituationen, denen der Mensch unterlegen ist, einprägen.
Und wenn man diese Faszie berührt, rollt sie sich ein und auf und erzählt die nicht-enthüllte Geschichte der Person." Danis Bois
Physiologisch gesehen sind Faszien spezielle Bindegewebsstrukturen. Sie bestehen hauptsächlich aus Kollagenfasern, Elastin und einer Grundsubstanz aus Wasser, Proteoglykanen und Hyaluronsäure.
Faszien:
Umhüllen, durchziehen und verbinden alle Muskeln, Knochen, Organe und Nerven.
Geben dem Körper Struktur und Stabilität, sorgen aber auch für Gleiten und Beweglichkeit der Gewebe gegeneinander.
Enthalten viele Sensoren und Nervenendigungen, die für Körperwahrnehmung (Propriozeption) und Schmerzwahrnehmung wichtig sind.
Speichern mechanische Spannungen und verteilen Kräfte im ganzen Körper.
Man kann sie sich als ein dreidimensionales Netzwerk vorstellen, das alles miteinander verknüpft – vom kleinsten Muskel bis zur Haut. Sie spielen eine zentrale Rolle bei Haltung, Bewegung, Kraftübertragung und Stoffwechsel.
Man unterscheidet verschiedene Arten von Faszien:
✅ Oberflächliche Faszie (Fascia superficialis)
Liegt direkt unter der Haut.
Besteht aus lockerem Bindegewebe mit Fettanteil.
Verbindet Haut mit tieferen Schichten, speichert Wasser und Fett, dient als Verschiebeschicht und hat eine Rolle bei Temperaturregulation.
✅ Tiefe Faszie (Fascia profunda)
Dichteres, kräftigeres Bindegewebe, das Muskeln, Knochen und Gelenke umhüllt.
Bildet Muskellogen (Kompartimente), Sehnenplatten (Aponeurosen) und bindegewebige Hüllen um Organe.
Unterstützt Kraftübertragung, Stabilität und Gleitfähigkeit der Muskeln gegeneinander.
✅ Viszerale Faszien
Umgeben und fixieren die inneren Organe (z.B. Herzbeutel, Pleura, Bauchfell).
Sorgen für Aufhängung, Schutz und Beweglichkeit der Organe in den Körperhöhlen.
Manche Systeme unterscheiden noch feiner, z.B.:
Parietale Faszien (an der Körperwand)
Epimysium (direkte Hülle eines Muskels)
Perimysium (um Muskelbündel)
Endomysium (um einzelne Muskelfasern)
Insgesamt bilden Faszien ein einziges, zusammenhängendes Netzwerk, das den ganzen Körper durchzieht – vom Scheitel bis zur Sohle.
Seit wann können Faszien in vivo untersucht werden?
Das ist eine sehr spannende Entwicklung in der Medizin und Faszienforschung.
In vivo – also am lebenden Menschen – lassen sich Faszien erst seit relativ kurzer Zeit direkt untersuchen. Der entscheidende Fortschritt kam mit der Einführung und Weiterentwicklung der bildgebenden Verfahren:
🔹 Ultraschall (Sonografie)
Seit den 2000er Jahren wurden hochauflösende Ultraschallgeräte entwickelt, mit denen man Faszienschichten in Bewegung sehen kann. Forscher wie Carla Stecco oder Robert Schleip haben diese Methode genutzt, um Faszienfunktion und -dynamik live zu erfassen.
🔹 MRT (Magnetresonanztomografie)
Auch die Kernspintomografie mit speziellen Sequenzen (z.B. T2-gewichtete Bilder) kann Faszien sichtbar machen. Seit etwa den 1990er bis 2000er Jahren kamen MRT-Studien auf, die z.B. die Lumbalfaszie oder Plantarfaszie darstellen.
🔹 Elastografie
Eine noch neuere Technik ist die Elastografie (Ultraschall oder MRT), mit der sich die Steifigkeit und Elastizität von Faszien messen lassen. Diese Methoden werden seit den 2010er Jahren zunehmend erforscht.
Vorher waren Faszien nur an Präparaten (post mortem) untersucht worden, was ihre lebendige Dynamik kaum erfassen konnte.
Kurz gesagt:
👉 Wirklich in vivo untersuchen kann man Faszien erst seit rund 20–25 Jahren, mit einem deutlichen Schub an Erkenntnissen seit etwa 2010, als Forschung, Technik und therapeutisches Interesse explodiert sind.
Psychophysischer Ansatz: Osteopathie & Danis Bois
In der Osteopathie gelten Faszien als Schlüsselstruktur: Sie sind Träger von Gesundheit, aber auch von Dysfunktionen. Osteopath*innen tasten und behandeln Faszien mit dem Ziel, ihre Elastizität, Gleitfähigkeit und Selbstregulation wiederherzustellen. Dabei geht man davon aus, dass auch emotionale und psychische Belastungen sich im faszialen Gewebe „einschreiben“ können – etwa durch chronische Anspannung oder Trauma.
Der französische Osteopath und Bewegungspädagoge Danis Bois hat diesen Gedanken weiterentwickelt. In seiner Methode, der Perzeptiven Pädagogik, verbindet er körperliche Arbeit mit einer bewussten, inneren Wahrnehmung. Er spricht von der inneren Bewegung – einer subtilen, spürbaren Eigenaktivität des Körpers, die besonders über die Faszien wahrgenommen werden kann. Diese Bewegung sei Ausdruck von Lebendigkeit und Veränderung, die über körperliche, emotionale und mentale Ebenen hinweg spürbar ist.
Nach Bois sind Faszien nicht nur strukturelle, sondern auch sensorisch-emotionale Medien, durch die sich der Mensch selbst tiefer erfahren kann. Die Arbeit mit der „inneren Bewegung“ zielt darauf ab, die Selbstwahrnehmung und Regeneration des Menschen zu fördern.
In dunklen Faszienräumen
flüstert das Ungehörte,
streckt sich der Ruf des Lebens
durch Schichten von Erinnerung.
Wer still genug lauscht,
spürt das Erwachen:
eine Wärme, eine Weite,
Heilung, die aus dem Innern webt.
(C. Binz)